Kammerspiel für die Kamera.


von Yves Mettler pdf-dokument

New History. Das Schild fliesst am Bus vorbei, die erste Worten die lesbar sind seit zehn Minuten. Seit zehn Minuten ist die Stadt voll Nacht, sie ist Leuchtschriften ohne Menschen, blinkende Farben die sich von der Zeit unabhängig gemacht haben. Seit zehn Minuten sind alle Zeichen nur Flächen, ausschliessende Welten die sich zu mir wenden und so dicht bleiben wie ein Koltrühm.

Die Stadt hat ein Zentrum und eine Achse. Zweifellos erkennbar auf dem Stadtplan. Die Achse ist ein sehr langer und schmaler Park, Nord-Süd gerichtet, von sieben Brücken überquert. Das Zentrum ist inmitten dieses Parks: Der Fernsehturm. So bleibt der tatsächliche Raum verborgen: Eine für das Auge unauffassbare Erfüllungsfläche. Die Orientierungspole werden von einzelnen dargestellten Versprechen aufgenommen, eine Sekunde lang und schon ist die Erlösung tausend Meilen entfernt. Die Perspektive eines Plans kann die farbgesättigten Wünsche nicht flachlegen und jeder Fleck erfüllt eine einsame Projektion für das Auge dass den ganzen Körper in eine gedächtnislose Verlegenheit bringt. In der Tat, eine Handlung schliesst das Labyrinth.

Die Treppen bis zum Tor sind sehr breit. Es öffnet sich auf einen grossen viereckigen Saal, eine Öffnung gerade gegenüber, halb so hoch wie das Tor. Schwarzer Boden, helle Mauern die nur von im Boden eingerichteten Scheinwerfer beleuchtet sind, zwei Messingstangen führen der Wand entlang bis zur Öffnung. Der Boden fliesst in einer enge Wendeltreppe hinunter. Vier Wendungen öffnen auf den unterliegenden Saal: Wiederholung des ersten, anstatt des Tors gibt es eine Bühne mit einem schwarzen Holztisch, fünf Sesseln, drei Messingtischlampen und einem Stuhl. Der Saal ist mit schwarze Bänke in Reihen und vereinzelten Zuschauern belegt. Fünf Männer und eine Frau besetzen die Bühne. Die Frau ist rechts, auf dem Stuhl. Die Frau sagt man solle in der Zukunftsprache die Substantive konjugieren, ein Zuschauer schreit, der erste Mann sagt er sei Linguist aber dass er Bilder sehr interressant findet, der zweite Mann sagt es sei schwierig hier zu sein wenn man schon woanders war, der Zuschauer schreit wieder, der dritte Mann sagt er hat nicht genug um richtig hier zu sein und sagt dem Zuschauer er soll herkommen, der Zuschauer kommt und schreit weiter, der dritte Mann sagt dem Zuschauer er soll den anderen auch Platz lassen, der vierte Mann sagt er kann nicht viel meinen solange er hier ist und überhaupt gibt es zuviele mögliche Meinungen die zu ermöglichen sind, der fünfte Mann sagt man soll hier richtig stehen. Es kommen noch zwei Runden, aber die Unwahrscheinlichkeit ist lauter. Der Zuschauer geht ohne was gesagt zu haben. Noch eine Runde, sie ist so leise dass kein Wort wirklich existiert. Es kommt keine Antwort. Die Frau und die Männer sind müde und sehen nicht was im Saal ist. Sie stehen auf, entschuldigen sich, kommen zu den Zuschauern und alle verlassen den Saal durch die Wendeltreppe, den oberen Saal, das Tor, die Treppe. Da sind Sie jetzt und gehen nicht gemeinsam trinken.

Als das Panoramicum der fünften Skyline des Forschungsraums erreicht wurde, war festzustellen dass der Horizont nicht zu erreichen ist, und sowohl das blinde Auge, ein eventuelles Zentrum einer Fläche, der präzise Gleichgewichtspunkt, ausrechenbar und real. Die Methode des Übergriffs brach zusammen: Der Rundgang vermittelt nur den Raum der durchquert ist. Keine Zusammenfassung möglich, obwohl das monotone Muster unendlich ist. Wieviele Menschen leben hier ? In dieser Frage ist das Hier der unantastbarsten Begriff. Nicht das der Mensch eine Allgegenwart erreicht hätte oder nur näher herangekommen wäre. Nur dass er nicht wirklich da ist wo er sich befindet. Noch weniger sind die Handlungen die Ihn als Mensch definieren wirklich zu lokalisieren. Wo lebt ein Mensch der lebt und arbeitet, der zwei Wohnsitze hat. In einem bedingten Feld, im Durchschnitt, auf dem Weg dazwischen ?
… §5a : «Die Multifunktionalität eines arbeitenden Wesens erfüllt sich mit einer unbedingte Verflechtung mit anderen Arbeitenden und höheren Funktionsorganen der Produktionsinsel. Die Artikulationen von Funktionen werden statistisch zur optimisierung der Produktion erforscht, d.h. ein maximalen Energieverbrauch und eine minimale Kodifikation der eventuellen Aktionen ».
§5b : « Die Multifunktionalität erziehlt eine komplette Auflösung der Notwendigkeit einer spezifischen Verortung der Funktionen » …
Auf dem Programm sind noch drei Skylines zu bestätigen. Die Verkehrsorgane sind zu dicht geworden und die folgende Schritte müssen ausgelassen werden.

Das Hotelzimmer ist stickig und die Fenster sind nicht zu öffnen. Tischlampenlicht vom Nachttisch. Gleich Abendausgang. Duschen gehen, Rückzug, singen… Frische Kleider anziehen mit laufendem Fernseher. Sich im Spiegel nochmal zusammenfassen, auf die Uhr schauen, das Zimmer anschauen. Das Bett nochmal testen, Die Decke anstarren … Aufstehen, alles in die Hand nehmen, das Licht nicht vergessen. Zur Tischlampe greifen, sie kurz hochhalten und kraftvoll auf dem Rand des Nachttischs zerschlagen. Der Boden empfängt sie reglos. Gehen, Tür schliessen... Im Aufzug warten, oder im Spiegel Grimassen machen. Tür auf, Eingangshalle. Vor der Rezeption, am Boden, liegt eine zerbogene, kaputte Tischlampe.

Ein paar Tage später, Zeitplan gemäss, bewegte sich das Flugzeug zur Startpiste. Beschleunigung, abheben. Die lange Kiste kratzt eine herrliche Kurve. Im Rahmen des drucksicheren Bullauges fliessen die Flächen vorbei. Das Ding verliert seine Schwerkraft als sie sich dem Körper im Überdruck erkennbar macht. Es bleibt eine unerschwingliche Organisation von Flächen deren Ausdruck immer vorhanden sein könnte und die keinem gehören. Die Maschinen verschlingen die Luft, die Flächen wölben sich. Die phantastische klare Sicht verwüstet die Wahrscheinlichkeit des Bildes.