" Über den durchgang einiger Personen durch eine ziemlich kurze Zeiteinheit "
Ein interview mit dem schweizer Künstler Yves Mettler .
Das Gespräch führte Christian Egger.

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Christian: Yves, du hast einen Bus gechartert und auf der Strecke Cafe Sperl zum Schillerplatz via
Videomonitor den Mitreisenden gezeigt wie du die selbe Strecke abrennst und dabei passieren
Dinge wie zum Beispiel Skateboardfahrende Teens kreuzen die Strecke, Marcus Geiger trinkt
Campari Soda , eine Hundestaffel wartet hinterm KHM, Roland Seidel stolpert zweimal, Chisato
zeigt einer Gruppe japanischer Touristen die Reste der Kunsthalle....
ein Aspekt der mir dabei auffiel war , das es sich dabei um den täglichen Arbeitsweg der meisten
im Bussitzenden handelt, die durch die Busfahrt eine Distanz zur gewohnten Strecke bekommen die
mit neuen, in regelmäßigen Abständen gelieferten Eindrücken gebrochen wird.
Yves: Es kommt eher zu einer Überlagerung & Verdoppelung . Das Video nimmt man eher als ver-gangenes
Dokument oder Fiktion wahr. Videokunst ist in diesem Fall eine Möglichkeit das Reale als
Fiktion bzw die Fiktion als Reales erscheinen zu lassen. Das Spannende war das extrem bekannte
Setting zu nehmen, als Hintergrund zu verwenden und kleine Dinge hervorzurufen.
zBsp hatten die Busfahrer schon Reflexe wo sie langsam fuhren , wo ich ihnen erst wieder sagen
mußte, hier bzw hier nicht langsam fahren. Als bekanntes Setting ließ es sich als Kulisse für die
Arbeit merkwürdig schnell umstellen.

C: Event -, Happeningkultur , Spaßgesellschaft , Kontroll - Risiko- , Spektakel - ,
Disziplingesellschaft sind das Deiner Ansicht nach Themen die Du mit deiner Arbeit berührst ?
Yves: Anfangs war der Wille eine Blase zu kreiren, die sich außerhalb der Akademie aufbläßt , aber
das Ritual der Diplombegehung nicht negiert . Als Erweiterung des akademischen
Austellungsraumes: Wäre es Malerei , wäre es Fauvismus.
Dadurch daß man das rote und das Video hat geht man raus, die Situation bekommt eine neue
Aufmerksamkeit . Man ist eingeladen und weiß es wird was zu sehen geben . Es ist kein Film , es
ist doppelbödig... nach beendeter Reise auf eine Art zu sagen , ich hab Dich jetzt dreizehn minuten
( Dauer der Busfahrt ) an der Nase herumgeführt .
Es war einmalig , und konnte nur einmalig sein. Dadurch, daß die Leute von mir eingeladen waren,
enstand eine Konstellation einer Wirklichkeit, die auf persönlichen Beziehungen basierte. Es war
ein gemeinsamer gleichzeitiger Spaß - das ist wichtig.

C: Macht das die Dokumentation der Arbeit schwierig ?
Yves: Extrem schwierig , eine Dokumentation davon ist eine eigene Arbeit. Einen Eindruck den ich
hatte, als die Leute ausgestiegen waren , war: hier sind junge fröhliche Leute von einer Reise aus
Tahiti zurück.
Sie waren in ihrem vertrauten Setting und ich habe ihnen eine Revitalisierung der Wahrnehmung
eröffnet.

C: Das klingt so als ob gar nicht wichtig gewesen wäre was zu sehen ist ?
Yves : Das ist halt ein Formalismus, der die extreme Konstruktion des Alltags zeigt .

C: Findest Du die Arbeit läßt sich leicht als politisch, gesellschaftskrtisch deuten bzw ist das Deine
Intention ?
Yves: Wenn so eine Arbeit eine Kritik ist, dann Aktivierung statt Aktivismus.

C: War es ein Einbildung von mir , oder war es wirklich so , daß man aus dem Busfenster nur nach
Dingen Aussschau hielt die von Dir arrangiert waren... der Bus einer Kapsel gleich der die
Wahrnehmung selektiert ?Wie in einem Safaripark wo man von den Giraffen zu den Löwen fährt ?
Yves: Bei meiner Arbeit ist es so, als würde der Löwe seinen eigenen Safari machen. Vielleicht hast
du bei der Fahrt ein Erlebnismoment, das zu künstlich, zu klar konstruiert ist. Wo mit der Erwartung
der Leute gespielt wird. Sie wollen nichts versäumen in einem Raum der ihnen komplett vertraut
ist.

C.Heißt das dass es einen therapeutischen Ansatz gibt, daß die Strecke durch die Reise wieder an
Spannung gewinnt ?
Yves: Es ist eine direkte Arbeit, keine kontemplative. Dadurch daß sich die Leute in einem vertrau-ten
Raum finden, gibt es die Erweiterung des normalen, der Wahrnehmungsmöglichkeiten. Die
Arbeit passiert in der einmaligen Beziehung vom Mitfahrer zu Raum und Zeit.

C:Rainald Goetz hat in seinem Buch "Abfall für Alle" Jutta Koether kritisiert , die immer einen ande -ren
Weg zu ihrem Atelier nimmt, um die Strecke für sich aufregend zu halten , während Goetz ein
warholsches "jeden Tag den selben Weg" und sich an den kleinen Abweichungen des Geschehen
sich doppelt zu freuen bevorzugt , wie siehst Du das ?
Yves: Ich tendiere zu einer Haltung, wo jede Möglichkeit des Arbeitsweges vertraut ist und in die-ser
Vertrautheit immer das kleine weiterkommen oder nicht vom Leben wahrnehme... also eine
Mischung aus beiden !

C:Glaubst Du die Arbeit könnte ebenso als Musikvideo, Kurzfilm etc funktionieren bzw. wann /
wann nicht ?
Yves : Nein, weil es nicht reproduzierbar ist... als musikvideo vielleicht dann als Ohrwurm
(Standbild mit drei noten zb).

C:Siehst du Paralellen zur Satellite Footprintshop (Wiener Band), drei Konzerte
in einer Nacht-Tour?
Yves: Es war ungefähr das umgekehrte, weil das konzertprogramm
immer dasselbe, das Setting immer ein anderes war. Bei der Busfahrst hingegen war das Setting
bekannt, was passiert nicht, im Nachhinein hat sich für die die mitgefahren sind, der Raum verän-dert,
weil seine Vertrautheit plötzlich ALS Vertrautheit erscheint, gerade weil sie ermöglicht, daß
man was Neues sieht. Wenn man den Raum nicht kennt, kann man nicht unterscheiden was
gewollt ist und was nicht ! Parallelen zu SFPS : Wie der Raum das Geschehen in ihm bestimmt und
das Geschehen die Gechichte des Raumes mitbestimmt . Hier befindet sich die Druckmöglichkeit
in diesem Double-bind... meistens sieht man die Vorbestimmung des Raumes nicht.

C:Wirst Du in diesen Grenzen / Brüchen weiterarbeiten ?
Yves : Ja, auf jeden Fall. Für mich ortet sich da die Kunst !

C: Könnte man noch eine zusätzliche Ebene einführen zb Hubschrauber mit Kamera ?
Yves: Als Anekdote ist vielleicht interessant, daß ich komplett vergessen habe den Bus von außen
zu filmen.

C: Wie war dein Laufen im Video zu verstehen ?
Yves : Es war die einfachste Weise die Paralellität sichtbar zu machen. Oft laufe ich an Orten vor-bei,
die vom Bus aus nicht zu sehen sind , man sich aber gut vorstellen kann. Es ist so ein
Hervorrufen von Vorstellungskraft , wo das Imaginäre des Mittel als Intermezzo in der Komposition
funktioniert.

C: Würde die Arbeit auch funktionieren wenn der Bus schneller/an mehreren Orten vorbei fahren
würde und so mehr Eindrücke vermittelt würden ?
Yves: Ich hab darauf geschaut, daß es gemütlich bleibt.

C: Affinitäten zu Computerspielen ?
Yves: Je höher die Vertrautheit zum Ort, desto komplexer die Wahrnehmungsmöglichkeit: da ist die
Passage mit marcus Geiger die Topscoremöglichkeit.
Im Bus war auch jemand, der erstmals in Wien war, eine Photokamera bei sich führte und über eine
rasche Auffassungsgabe verfügte. Nachdem er beim Fotografieren der Skater bemerkt hatte , daß
die Farbe Rot hier von Bedeutung ist , hat er auch das Campariglas von Marcus Geiger fotografiert,
dessen Gesicht aber auf dem Foto abgeschnitten ist.

Christian erzählt von einem Film namen SuperCop in dem Terence hill nach einem Atomunfall über
außergewöhnliche Kräfte verfügt die aber beim Anblick der Farbe Rot erlöschen.
Yves: Als ich 13 oder 14 war hat sich in der Schule immer jemand über mich lustig gemacht indem
er mir erzählte, wie ich von der Farbe Rot Angst habe und mich es einschrecken wollte mit so:"Da,
da pass auf, ein rotes Auto!", usw. Der war total fixiert darauf. Im Nachhinein fand ich es einfach
seltsam so eine Sache zu erfinden. Am Ende der Fahrt hat der Walter Obholzer mich gefragt :
Warum Rot ? als roten Faden ? wobei ich ihm geantwortet habe , daß es vielmehr ein malerisches
Rot und kein literarisches sei. Rote fetzen vs den roten Faden. Splitter.

Christian: War das Ganze mit einer Versuchsanordnug vergleichbar à la man nehme einen Bus
setze ein paar Leute hinein , fahre durch einen ihnen bekanntes Gebiet...?
Yves: Als Rezept , funktioniert das nicht so 1:1. Es hat kunstgeschichtlich viele Busfahrten gege-ben.
Ich hab von Arbeiten gehört wo der Bus gar nicht weggefahren ist oder während der Busfahrt
nur ein Ding passiert ist , oder einer erzählt wieviele Dinge passieren.
Vielleicht hat es so ausgeschaut, daß ich zb. in Wien in einem vertrauten Setting geblieben bin .
Vielleicht hat es so ausgeschaut, aber die Situation (schauspieler, Ort, Besucher, Kontext, usw…)
ist so komplex bestimmt dass sie erst als ganzes im nachhinein Sinn macht, verfassbar ist.
Vielleicht funktioniert das Bild als Denkbild besser. Potenzialpartikel.

C: Das Potenzial deiner Arbeit ist ein kritisches ?Wo siehst Du Interventionsfelder ?
Yves: Mein Ziel war eine Möglichkeitskonstellation zu kristallisieren, das ist keine versteckte
Struktur, kein Marionettenspiel dass eine Botschaft trägt. Wenn es ein feld gibt ist es des einer
erweiterung der Wahrnehmung, die eigene und Ihre Grenze. Bis wohin die Dinger einer
Repräsentativität unterstellt sind.

C: Wie definierst du künstlerischen Stress ?
Yves: Öffentlichkeitspotenzial zu erreichen, daß einen arbeiten läßt !

C: Ein Tip für junge KünstlerInnen ?
Yves :Vergesst Eure Freunde nie !